Ein paar Gedanken zur Sprache
(Ursprünglich vom 17. Mai 2009)

„Heimat ist da, wo man mich versteht“, „Wo man mich versteht, bin ich zu Hause“, so sage ich oft. Aber das stimmt natürlich nur bedingt, denn hier muss man zunächst den Begriff des Verstehens klären. Ich rede deutsch und alle die Deutsch reden verstehen mich! (?) Keineswegs!

Ehepaare reden in der Regel die gleiche Sprache… Aber „verstehen“ sie sich? Ich spreche nicht von Zank und Streit, ich denke, dass man sich oft nicht verstehen kann.

· Beide kommen aus einem anderen Umkreis (Milieu)…
· Sie haben unterschiedliche Charaktere, die sie die Dinge anders beurteilen lassen…
· Sie haben einen völlig anderen Erfahrungshintergrund…

Da kann man die Handlungen des anderen oft nicht verstehen und das Gespräch darüber – wenn es denn gelingt – ist anstrengend und setzt beiderseits große Einsicht voraus.
Aber auch ich als Person, von anderen Menschen umgeben und mit ihnen im Gespräch stehend, kann nicht erwarten, dass man mich versteht oder umgekehrt.

Eine Bekannte und ich haben uns bei einem langen Spaziergang die Köpfe heiß geredet über Rationalisierung. Sie als Soziologin, psychologisch gebildet und ihren Freud kennend, dachte natürlich in diesem Sinne an Rationalisierung, nämlich:
Rationalisierung ist die nachträgliche verstandesmäßige Rechtfertigung eines Verhaltens, das nachträglich eine vernünftige Erklärung bekommt.
Beispiel: Übergewicht. Ich leide darunter… sehr… aber ich bekomme es nicht in den Griff, vernünftig zu essen. Was sage ich aber: „Ich würde ja abnehmen, klar, aber mein Mann liebt dicke Frauen. Ich kann doch nicht meine Ehe gefährden.“

Ich, aus der Wirtschaft kommend, für mich hatte Rationalisierung etwas mit Effizienz, vernünftiger Planung, Einsatz angemessener Mittel zum Erreichen eines Zweckes zu tun.
Wir haben lange gebraucht, um überhaupt zu merken, warum wir uns nicht „verstehen“ konnten. Es gibt im täglichen Leben viele solcher Missverständnisse auch einfacherer Art.

Wir leben im Zeitalter der political correctness. Das ist gut so — nur sehr gefährlich.
Schon mancher Politiker – frei von jedem Verdacht des Antisemitismus – wurde geächtet, weil er gewagt hatte, etwas zu sagen was durchaus stimmte, aber durch die Hitlerzeit auch in einen anderen Bezug gesetzt werden konnte – so man denn wollte.

Dies ist ein Beispiel, aber es gibt hundert Gelegenheiten etwas zu sagen, dass andere in einen anderen Zusammenhang setzen und völlig missverstehen können. In solchen Fällen ist man gezwungen, bevor man das Eigentliche sagt, erst zu versichern, dass man das nicht meint, etwas anderes auch nicht, dass man nur das sagen will …

Hier fasst meine Überlegung: „Ich bin da zu Hause, wo man mich schnell versteht“, das heißt, mich versteht, ohne dass ich erst lang und breit Erklärungen abgeben muss, um nicht missverstanden zu werden.

Und was ist Sprachkompetenz?
Sprachkompetenz ist die Fähigkeit, seinen Sprachstil der jeweiligen Umgebung und Situation anpassen zu können.
Bildung ist, dass man sich Sprache bewusst macht!
Diesen Text veröffentlichte barbara abigt

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